"Der überwachte Bauch" von Doris Moser (8min)

Doris Moser hat mit „Der überwachte Bauch“ ein Buch geschrieben, das einen tiefen und oft schmerzhaften Blick auf das Thema Körperwahrnehmung wirft – insbesondere auf den weiblichen Körper in der Schwangerschaft. Es geht um mehr als nur die körperlichen Veränderungen während einer Schwangerschaft, es geht um die Kontrolle, die von außen auf den Körper der Frau ausgeübt wird, und um die Frage, wie viel Autonomie sie noch über ihren eigenen Körper hat, wenn alle möglichen äußeren Kräfte – sei es die Gesellschaft oder das medizinische System – ständig mitreden.

Was mich an diesem Buch besonders berührt hat, ist der Blick, den Doris Moser auf das Thema der Kontrolle und der Überwachung wirft. Es ist ein Thema, das in der heutigen Zeit leider noch viel zu selten angesprochen wird. Schwangerschaft und Geburt sind tief persönliche Erfahrungen, die aber gleichzeitig so sehr im Blickpunkt der Gesellschaft und der medizinischen Institutionen stehen. Doris Moser fordert den Leser heraus, sich mit diesen unsichtbaren und doch allgegenwärtigen Normen auseinanderzusetzen.

 

Der Bauch als „öffentlicher Raum“

Der Titel des Buches „Der überwachte Bauch“ ist eine klare Metapher für das, was viele Frauen während der Schwangerschaft erleben. Der Bauch wird von der Gesellschaft als etwas gesehen, das es zu überwachen gilt – nicht nur als der Raum, in dem ein Kind wächst, sondern als ein öffentlicher Raum, in dem sich alle Meinungen und Blicke der Außenwelt sammeln.

Die Schwangerschaft wird zum „Projekt“ – es gibt die perfekte Vorstellung davon, wie eine Frau sich zu verhalten hat, wie sie ihren Körper zu behandeln hat und was in dieser Zeit „normal“ ist. Moser beschreibt in eindrucksvoller Weise, wie Frauen sich oft selbst aus dieser Gleichung herausnehmen müssen, weil ihr Bauch bereits von allen anderen beobachtet und bewertet wird. Diese Überwachung des Körpers beginnt mit der ersten ärztlichen Untersuchung, setzt sich mit der Geburt fort und endet nicht, wenn das Kind endlich auf der Welt ist. Es ist ein ständiges Gefühl des „Nicht-mehr-allein-Seins“, als ob der eigene Körper gar nicht mehr nur einem selbst gehört.

Mir selbst kam dieses Bild so vertraut vor – besonders in der heutigen Zeit, in der jeder Schwangerschaftsverlauf ständig in sozialen Medien dokumentiert wird, und es gibt immer mehr Ratgeber, die den Weg zur „perfekten“ Schwangerschaft vorgeben. Wie oft haben wir das Gefühl, dass wir uns an den Normen messen müssen, die uns von außen diktiert werden? Wie oft wird uns gesagt, dass wir uns „richtig“ verhalten müssen, um den Erwartungen gerecht zu werden?

 

Der Konflikt zwischen medizinischer Kontrolle und persönlicher Autonomie

Ein weiterer entscheidender Punkt, den Moser anspricht, ist die zunehmende Kontrolle des medizinischen Systems über Schwangerschaft und Geburt. Moser kritisiert die Tatsache, dass der natürliche Ablauf einer Schwangerschaft oft einer medizinischen Kontrolle unterworfen wird, die nicht immer aus gesundheitlichen, sondern aus gesellschaftlichen oder systemischen Gründen erfolgt.

Diese kritische Haltung gegenüber dem medizinischen System habe ich selbst in vielen Gesprächen mit werdenden Müttern erlebt. Viele von uns wissen, dass das medizinische System uns hilft, gesund zu bleiben, doch gleichzeitig gibt es diesen unterschwelligen Druck, dass der Weg zur Geburt immer „klinischer“ wird – sei es durch regelmäßige Ultraschalluntersuchungen oder durch Empfehlungen für bestimmte Verfahren, die nicht immer notwendig sind. Es entsteht das Gefühl, dass der eigene Körper nicht genug ist, um eine Geburt „auf natürliche Weise“ zu erleben. Der Arzt oder die Ärztin wird zur zentralen Instanz, die darüber entscheidet, was „richtig“ ist.

Das ist besonders problematisch, weil wir so häufig vergessen, wie stark die eigene Wahrnehmung des eigenen Körpers von diesen Eingriffen beeinflusst wird. Moser beschreibt dies als eine Art Ohnmacht gegenüber der Entscheidungshoheit der medizinischen Fachwelt. So bleibt uns manchmal nicht viel Raum, die Kontrolle über die eigenen Körpererfahrungen zurückzugewinnen. Der Konflikt zwischen medizinischer Expertise und persönlicher Autonomie ist etwas, das viele Frauen während der Schwangerschaft erleben. Doch wie weit darf das medizinische System in unseren Körper eingreifen? Wie viel Autonomie können wir wirklich für uns selbst beanspruchen?

 

Der Druck, perfekt zu sein

Ein weiteres Thema, das Moser in „Der überwachte Bauch“ anspricht, ist der immense gesellschaftliche Druck, der auf Frauen lastet, die schwanger sind oder ein Kind bekommen. Es gibt eine bestimmte Vorstellung davon, wie eine Schwangerschaft verlaufen sollte, wie eine Frau sich während dieser Zeit zu verhalten hat und wie sie ihren Körper zu behandeln hat. Man soll sich gesund ernähren, regelmäßig Sport treiben, nicht zu viel zunehmen, nicht zu wenig zunehmen – und ja, am besten die perfekte Geburt erleben, ohne Komplikationen. Die Erwartungshaltung von außen kann erdrückend wirken.

Das Buch zeigt auf, wie Frauen oft in einem Zwiespalt zwischen den eigenen Wünschen und der Angst, den Erwartungen der anderen nicht gerecht zu werden, leben. Während ich das Buch las, musste ich an viele Schwangere denken, die ich kenne oder von denen ich gehört habe – und an den inneren Druck, den sie aufgrund dieser Erwartungshaltungen erleben. Wie viele Frauen fühlen sich durch diesen Druck unzulänglich oder beginnen an ihrer Fähigkeit zu zweifeln, ihren eigenen Körper in dieser Zeit zu verstehen und zu begleiten?

Moser stellt die Frage, wie viel Raum es in dieser Zeit für die persönlichen Bedürfnisse und Wünsche der Frauen gibt, wenn sie sich ständig den Erwartungen von außen unterwerfen müssen. Der „perfekte“ Körper, die „perfekte“ Schwangerschaft und die „perfekte“ Geburt – sind wir als Frauen wirklich bereit, uns ständig in diese Stereotypen zu fügen?

 

Selbstbestimmung und Rückeroberung des Körpers

Eines der stärksten Themen, die Moser in ihrem Buch behandelt, ist die Frage der Selbstbestimmung. Sie fordert uns heraus, darüber nachzudenken, wie viel Kontrolle wir über unseren eigenen Körper haben – nicht nur in der Schwangerschaft, sondern auch im gesamten Leben als Frau. Was bedeutet es, unseren Körper zurückzuerobern und die Kontrolle über unsere eigenen Entscheidungen zu übernehmen, auch wenn sie nicht immer dem entsprechen, was von uns erwartet wird?

Es gibt viele Schwangere, die sich eine natürliche, wenig interventionistische Geburt wünschen, aber durch den Druck von außen oder die medizinische Praxis in ihren Entscheidungen eingeschränkt werden. „Der überwachte Bauch“ zeigt sehr eindrucksvoll, wie wichtig es ist, als Frau die Kontrolle über den eigenen Körper zurückzuerlangen, in dem Wissen, dass niemand sonst in der Lage ist, die eigenen Erfahrungen zu machen. Es ist eine Aufforderung, sich nicht länger von den Anforderungen der Gesellschaft oder des medizinischen Systems formen zu lassen, sondern den eigenen Weg zu finden – ohne Angst, dabei als „unperfekt“ oder „abweichend“ wahrgenommen zu werden.

 

Mein Fazit

Doris Mosers „Der überwachte Bauch“ ist ein aufrüttelndes und eindrucksvolles Buch, das zum Nachdenken anregt. Es fordert uns auf, den Blick auf den Körper der Frau neu zu richten – nicht als etwas, das ständig überwacht oder bewertet werden muss (!), sondern als etwas, das sich in seiner eigenen, einzigartigen Weise ausdrücken darf. Die Autorin beleuchtet die gesellschaftlichen Normen, die den Körper der Frau betreffen, und gibt den Frauen eine Stimme, die sich oft nicht gehört fühlt. Warum muss denn in der Woche "XY" das Kind so oder so groß sein, wir waren doch als Kind auch nicht alle gleich groß oder schwer? Jeder Mensch ist individuell, wächst und entwickelt sich in seinem eigenen Tempo und so ist es meiner Meinung nach auch bei Babies.

Mit ein Grund warum für mich der ET auch mit einem großen Fragezeichen zu sehen ist, denn wie wir wissen, entscheidet das Baby wann es auf die Welt kommt und gibt den Anstoß für den Start der Geburt (wenn es soweit ist). Wer sind "wir" zu "entscheiden/vorzugeben", wann das Baby oder die Babies kommen müssen? Ich persönlich sehe es als Geburtszeitraum und fixiere mich auf kein Datum.

 

Nun zurück zur Autorin ;-) Es ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt und dazu einlädt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie viel Kontrolle wir wirklich (!) über unseren eigenen Körper haben (müssen) und was es bedeutet, wirklich selbstbestimmt zu leben. „Der überwachte Bauch“ ist für mich ein unverzichtbarer Beitrag zu einer offenen und ehrlichen Diskussion über den Körper der Frau und die Selbstbestimmung.

 

Welche Gefühle begleiten Euch im Hinblick auf Interventionen und Überwachung in der Schwangerschaft? Ich freu mich über Eure Meinungen.

 

Alles Liebe,

Eure Tamina

 

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